Von
Kurt Müntener: Text
und Ernst Schwendener: Fotos
Vor langer
Zeit weckten die wundervollen Rebhänge der Bündner Herrschaft das
Interesse eines Einwohners von Räfis. Als ihm dann gesagt wurde, dass
die Trauben in Räfis sicher die gleiche Qualität wie jene von der
Bündner Herrschaft aufweisen würden, stand dem Beginn des Räfiser
Weinbaus nichts mehr
im Wege.
BlauburgunderTrauben erntereif. Aus ihnen entsteht nach einem
arbeitsreichen
Jahr Räfiser Blauburgunder von bester Qualität.
Das Wissen
über den Wein eignete sich der Hobby-Weinbauer aus Büchern und
Gesprächen und Ratschlägen mit einem anderen Winzer an. So kam es, dass
vor rund 15 Jahren im Herzen von Räfis ein Wingert entstand, welcher im
Laufe der folgenden Jahre konstant vergrössert wurde. Der Wingert ist
mit der Traubensorte „Blauburgunder" bestückt und wird hobbymässig, mit
der Hilfe von freiwilligen Mitarbeitern, bewirtschaftet. Es werden so
jedes Jahr einige Flaschen sehr guten Weines produziert, welche für
Freunde, Nachbarn, Bekannte und die freiwilligen Helfer bestimmt sind.
Als Lohn für
die sehr gute Pflege und die unzähligen Stunden Fronarbeit während des
ganzen Jahres kann der Winzer im Mai seinen eigenen Wein, in Flaschen
abgefüllt, von der Kelterei entgegennehmen. Bevor es
jedoch so weit ist, steht dem Winzer und seinen Helfern jeweils eine
Menge Arbeit bevor. In der Zeit von Ende Januar bis Ende März müssen die
Rebstöcke bis auf zwei Ruten zurückgeschnitten werden. Im Verlaufe des
Sommers werden die Reben gegen Mehltau gespritzt. Da es in Räfis nur
einen Wingert gibt, ist die Übertragung von Krankheiten praktisch
ausgeschlossen. Aus diesem Grund wird auf den Einsatz von Chemie
weitgehend verzichtet. Die Schosse, die sich aus den zwei Ruten bilden,
müssen zwischen die Drähte eingesteckt werden (s. Abbildung). Im
Gegensatz zum Südtirol, wo man den Pergolabau findet, herrscht in
unserer Region der Drahtbau vor.
Anfangs bis
Mitte August werden in der Traubenzone die Blätter weggerissen, wodurch
die Sonne ungehindert Zugang zu den Trauben finden kann. Dadurch
trocknen die Trauben schnell ab, was die Fäulnis der Trauben verhindert.
Dass sämtliche Arbeiten zum richtigen Zeitpunkt ausgeführt werden
müssen, versteht sich von selbst. Meistens wird Mitte bis Ende Oktober
gewimmelt. Pro Quadratmeter ist dem Winzer eine Ernte von rund 1,2
Kilogramm Trauben gewiss. Über das ganze Jahr betrachtet, ist die
„Wimmleta" die wohl schönste Arbeit des Winzers und seiner Helfer. In
welchem Zeitraum gewimmelt werden darf, wird durch die
Weinbaugenossenschaft vorgegeben. Nach erfolgter Lese gehen die Trauben
für die weitere Verarbeitung in die Kelterei. Nach der Lese ist dem
Weinbauer Ruhe gegönnt, bis im Januar wieder mit dem Schnitt der Reben
begonnen werden muss.
Dank modernem
Kelterungsverfahren kommt der eigene Wein im Mai trinkfertig an den
Winzer zurück. Es bleibt noch zu erwähnen, dass aus einem Kilogramm
Trauben ungefähr 0,7 Liter Wein gewonnen wird. In einem einigermassen
guten Jahr weist der Wein Werte um 90 bis 92 Grad Öchsle auf. Wenn der
Rebstock nicht während eines strengen Winters erfriert, weist er eine
Lebensdauer von 20 bis 25 Jahren auf. In Räfis müssen jedes Jahr vier
bis fünf Rebstöcke als Folge von Frostrissen ersetzt werden, ab welchen
normalerweise im dritten Jahr die ersten Trauben gelesen werden können.
Herkunft und Boden
Die Ostschweiz
weist lediglich gut 15 Prozent der Rebfläche des Landes auf und steuerte
1992 gar nur knapp 13 Prozent der Weinproduktion bei. Der wichtigste
Weinbaukanton ist Zürich mit 616 Hektaren. Knapp zwei Drittel sind mit
roten Reben bestockt, und zwar fast ausschliesslich mit Blauburgunder.
Der
qualitative Höhepunkt des Ostschweizer Blauburgunder liegt jedoch nach
unserer Beurteilung inmitten von Räfis. Für den Anbau kommt eine gut
besonnte, nach Süden gerichtete Wiese in Frage.
Ein Weinberg
inmitten von Räfis-Burgerau.
Reben, Kultur
Der
Blauburgunder ist in der Ostschweiz seit einigen hundert Jahren
heimisch. Er soll seinerzeit vom französischen Herzog Rohan, der während
der „Bündner-Wirren" im 17. Jahrhundert einige Zeit in Chur residierte,
nach Rhätien gebracht worden sein. Daraus könnte sich auch der Name
„Klevner" als Schweizer Synonym für Blauburgunder herleiten: Kleven oder
Kläven war der eingedeutschte Name für die damals zu Graubünden
gehörende Stadt Chiavenna, wo sich die wichtigsten Handelswege über den
Splügen einerseits verzweigten. Chiavenna war somit Rhätiens „Südportal
zum welschen Land" und wohl auch Eingangstor für die welsche Traube
Pinot Noir oder Blauburgunder.
Der Höhepunkt
in jedem Winzerjahr: Das „Wimmla", die Ernte der Trauben.
Ein Wingert
bedeutet Arbeit aber auch viel Freude.
Charakter
Helles,
lebendiges Rubinrot mit jugendlichen Violettönen. Angenehme, jugendliche
Frucht. Säuerliche Geruchskomponenten überwiegen und vermitteln Frische.
Anklänge an rote Johannisbeere. Im Hintergrund leicht rauchig. Im Mund
sanfter Ansatz. Der ausgeprägte PinotCharakter und die Röstaromen
bestätigen sich. Angenehm trockene Gerbstoffe. Im Abgang eine feine
bittere Nuance und leicht wärmend.
Lagerung, Service
Der 1997
Räfiser Blauburgunder ist ab Mai 1998 trinkreif. Optimal wird er
zwischen 1999 und 2001 sein. 2003 sollte er getrunken sein. Serviert
wird der gute Tropfen in einem mittelgrossen, leicht bauchigen
Rotweinglas und bei einer Temperatur von 16 Grad Celsius.
Wein und Küche
Dieser Räfiser
Blauburgunder mit seinem angenehmen Landweincharakter gesellt sich gerne
zu vielerlei leichten Mahlzeiten, Zwischenmahlzeiten und Zvieri-
(Vesper) plättchen.
Zum Wohl! |