Sandkastenfreundinnen
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Sandkastenfreundinnen

    

   

   

Von Daniela Wachter

           

Wenn Erwachsene von einer Sandkastenfreundschaft reden, dann meinen sie eine Bindung, welche bereits im Kindesalter begann und bis ins Alter bestehen bleibt. Marieli Rhiner-Grob (*22. Januar 1924), Marieli Schwendener-Pfiffner (*13. August 1924) und Anneli Pfiffner (*19. September 1923) sind schon seit eh und je Freundinnen. Marieli Grob wohnte an der Burgerauerstrasse 36, die Schwestern Marieli und Anneli Pfiffner an der Burgerauerstrasse 33. Ich habe sie gebeten, von sich zu erzählen:

3 Frauen, von links nach rechts: Anneli Pfiffner,

Marieli Grob, Marieli Pfiffner

«Als Kinder...

...spielten wir gerne draussen. Mit der Geisel schlugen wird den Hurlibueb (Kreisel), dass er wie verrückt tanzte. Das Hüpfspiel «Himmel und Höll» haben wir schon damals gespielt, nur dass es noch keinen Asphalt hatte, sondern Kieswege. Wir waren Puppenmütter, übten uns auf dem Stricktrick (Strickliesel) und spielten Verstecken. Für unsere Puppenkinder nähten und strickten wir schöne Kleider. Doch viele Spielsachen oder Spielmaterialien hatten wir nicht, und so mussten wir uns anders helfen. Wir nahmen manchmal grosse Blätter und «bestickten» sie, so stellten es wir uns vor. In Wirklichkeit stupften wir einfach Löcher hinein, so dass ein schönes Muster entstand.

Am liebsten gingen wir in die «Arche» hinter der Krone. Zwei Fräulein aus einer religiösen Gemeinschaft (welcher wissen wir nicht mehr), erzählten uns am Sonntagmorgen Geschichten und wir sangen viele Lieder. Wir liebten diese Treffen, mehr als die Sonntagsschule, welche wir später auch besuchten. In der Sonntagsschule gefiel uns das «Negerli-kässeli». Wenn wir einen Rappen hineinwarfen, nickte das betende «Negerli» dankend. Der Höhepunkt war an Weihnachten der Zopf und das Geschenk. Unsere Mütter schimpften oft, weil wir die Geschenke wollten und ansonsten lieber in die Arche gingen. Bei der Heilsarmee durften wir Gitarre lernen und sticken. Wir bestickten alte Ansichtskarten und bastelten daraus ein Körbli. Um diese Abwechslungen waren wir sehr dankbar.

Ein Höhepunkt war immer, wenn der Zünd mit seinem Karussell bei der Krone gastierte. Die meisten Kinder liebten das Karussellfahren. Die Pfiffnermädchen jedoch nicht, das heisst, sie probierten es gar nicht. Das geht doch nicht! Also wagte es Marieli Pfiffner einmal. Als das Karussell anhielt war sie kreidebleich. Wir legten sie ins Gras. Sie bewegte sich nicht, sie redete nicht. Wir zwei hatten eine Heidenangst sie sterbe und machten uns Vorwürfe. Wir wären ja schuld! Zum Glück erholte sich Marieli wieder.

Im Winter hatte es jedes Jahr Schnee. Wir schlittelten oder fuhren Fasstauben im Rietli (Flath). Es war einfach herrlich. Im Sommer genossen wir die Abkühlung in der Kiesgrube beim Kanal draussen. Wir sagten den Räfisern immer, sie dürfen hier nicht baden. Diese konterten, wir Burgerauer dürfen nicht im Rietli schlitteln. Daran gehalten hat sich niemand.

Streiche haben wir selten gespielt, aber manchmal jemanden geärgert. Zum Beispiel die Geschwister Jud, welche am Fliederweg 6 wohnten. Es genügte aber auch schon, dass man den Gartenzaun anfasste, schon keiften sie. Oder den Schulwart Tortli Chöb, welcher einen Geissbock hatte. Bei dem musste man sich nur die Nase zuhalten wenn er einen sah, und schon kochte er vor Wut. Solche Menschen sind doch selber schuld, wenn sie geärgert werden! Wir haben kein schlechtes Gewissen.

Bis zur Konfirmation mussten wir am Abend immer um 20.00 Uhr zu Hause sein. Das war bei allen so und störte uns nicht. Alles in allem hatten wir eine schöne Kindheit. Trotz ärmlichen Verhältnissen bekamen wir trotzdem ab und zu etwas besonderes, wie zum Beispiel den «Ziegelstei» (petite Beurre Guezli mit Kokosfett-Kakaocrème geschichtet) von Mama Pfiffner.»

«Als Jugendliche,...

... es war im Jahre 1939, läuteten während dem Konfirmationsunterricht auf einmal die Kirchenglocken. Der Pfarrer erklärte uns, wir sollen nach Hause gehen. Es sei Krieg und die Väter müssten nun einrücken. Das war ein einschneidendes Ereignis. Während der Kriegszeit war bei Grobs eine Soldatenstube eingerichtet, was für uns natürlich selbstverständlich war, dass wir drei Freundinnen uns mit den jungen Männern unterhielten. Da wir zu dieser Zeit unsere ersten Velos hatten, war es für uns auch ein Vergnügen, den einen oder andern zu Hause zu besuchen, natürlich einfach so und unverbindlich. So ging es auch einmal nach Vättis und Marieli Pfiffner hatte einen Platten. Doch Freundinnen lassen sich nicht hängen. Sie setzte sich auf unsere Gepäckträger und stiess ihr Velo neben sich her. Klar war, egal ob die Reise nach Vättis, Grüsch oder sonstwohin führte, am Abend musste man bei Zeiten zu Hause sein.

Durch die Mitgliedschaft im CVJM (Christlicher Verein Junger Menschen) konnten wir aber auch weitere Reisen machen, zum Beispiel nach Luzern oder Braunwald. Wir erinnern uns noch gut daran. Die Kriegszeit war aber auch mit Angst und Bangen verbunden. So war jeder Fliegeralarm bedrohlich. Wir mussten alle Fenster mit Papier oder Stoff verdunkeln. Es durfte kein Licht nach draussen fallen. Auch mussten wir die Koffer packen, im Falle einer Evakuierung. Wir wären ins Bündnerische gekommen.»

Marieli Pfiffner lernte Verkäuferin, heiratete mit 20 Jahren und bekam 1944 ihren ersten Sohn. Es folgten weitere Buben 1951, 1954, 1956 und 1957 und 1963 je eine Tochter. Anneli Pfiffner ging zuerst in einen Haushalt in der Gegend und später für sieben Monate in einen nach England. Für die Rückreise nahm sie das Flugzeug, man wisse ja nie ob das die einzige Gelegenheit zum fliegen sei, so dachte sie. Dann arbeitete sie in der Hemdenfabrik in Trübbach als Näherin und fädelte in einer Stickerei. Sie blieb ledig. Marieli Grob arbeitete als Magazinerin bei der Verteilerfirma und Kaffeerösterei Metzger. Sie heiratete mit 24 Jahren und gebar 1949 und 1951 je eine Tochter, 1954 einen Sohn.

«Während unseren «Familienjahren»...

...änderte sich in unserem Leben vieles, der Fortschritt war enorm. Es gab in der Burgerau bereits einige Telefone, die Besitzer richteten Sachen aus oder holten die gewünschten Leute aus der Nachbarschaft an den Apparat. Das Waschen war am Anfang unserer Erwachsenenjahre eine schwere Arbeit. Kleine Stücke wurden auf dem Herd zu Hause gewaschen und im Giessen gespült. Die grossen Wäschestücke konnte man in die Wäscherei im Wiesental oder im Rietli waschen. Diese hatten grosse Zuber. Im Jahre 1954 kam der erste Waschautomat in die Burgerau, ins Restaurant Krone. Welche Erleichterung! Zum Duschen oder Baden konnte man ins Schulhaus gehen. Die Kinder wurden ab und zu während der Schule gratis und unter Aufsicht geduscht. Die Erwachsenen konnten das «Badezimmer» im Schulhaus, später auch in der Krone, mieten und sich dort bequem reinigen und schön machen. Das erste eigene «Badezimmer» mit einem Holzbadeofen bekam Marieli Schwendener-Pfiffner im Jahre1956.»

«Und heute...

... sind wir immer noch Freundinnen. Wenn wir zusammen sind reden wir über dies und jenes. Wenn wir alleine sind machen wir gerne Handarbeiten wie Stricken oder Häkeln. Jetzt gibt es ja auch das Radio und den Fernseher. Zum Einkaufen können wir manchmal mit Bekannten oder Verwandten per Auto nach Buchs fahren, die Wäsche erledigt zu einem grossen Teil die Waschmaschine, das Bad ist geheizt und warmes Wasser fliesst aus dem Hahn. Trotzdem, schön war es damals, und schön ist es heute, Probleme gab es damals, und Probleme gibt es heute, Freundinnen waren wir damals, und als Freundinnen lachen wir noch heute zusammen über damals und über unsere Sockenproduktion von heute!»

Ich danke den drei aufgestellten «Sandkastenfreundinnen» für den Einblick in ihr Leben und wünsche ihnen noch viele schöne gemeinsame Stunden.

  

  

  

Copyright © Oktober 2004 Roger Bächer  Alle Rechte vorbehalten.  Stand: 01.12.2004

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